Statustreffen Alpha-E “Wie ein Klassentreffen mit der DB”

Unterschrift Dokument

Wie ein Klassentreffen mit der DB

Projektbeiratsmitglied Christian Böker vom Aktionsbündnis gegen Trassenneubau
nahm am Statustreffen Alpha-E am Donnerstag, dem 15. 9. 2022,
in der Celler Congress Union teil.

Lesen Sie hier seinen Bericht:

Am 15. September fand das Statustreffen der Teilnehmer des Dialogforums Schiene Nord zum Projekt Alpha E der Deutschen Bahn (DB) in der Congress Union Celle statt. Eingeladen hatte der Projektbeirat Alpha E, um den Status der Planungen darzustellen. Für mich als Teilnehmer hatte diese Veranstaltung etwas von einem Klassentreffen:

Es waren erstens nicht alle Eingeladenen da. Ein Hauptakteur des Forums, die DB, war nur mit der der Spitze der Projektbearbeitung vertreten, nicht aber wenigstens durch eine Vertretung der Konzernspitze. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), immerhin Auftraggeberin des Projektes, glänzte durch Abwesenheit. Sowohl die Konzernbeauftragte der DB Herbort wie auch der Staatssekretär des BMDV Theurer sagten ihre Teilnahme kurzfristig ab. Die Eröffnung zum „Tag der Schiene 2022“ hatte man, vermutlich für die beiden zur Überraschung, ebenfalls am 15.09.2022 angesetzt.

Zweitens standen wie seinerzeit in der Schule wieder dieselben Grüppchen zusammen, die schon 2015 gleiche Interessen hatten: Die Kommunen und BIs, die auf Zusagen im Jahr 2015 des Landes, des Bundes und der DB in der Congress Union Celle bauen. Und diejenigen Teilnehmer, die sich schon 2015 einig waren, dass sie keinen Ausbau wollen: Lüneburg, Hamburg und die DB.

Drittens hat sich nichts geändert. Die Teilnehmer sind alle sieben Jahre älter. Die Positionen sind die alten. Die Botschaften auch.

Es war allerdings kein Klassentreffen, sondern eine Arbeits- und Informationsveranstaltung zum Stand des Projektes Alpha E. Dass Frau Herbort und Herr Theurer nicht da waren, ist daher eben kein Lapsus. Vielmehr steckt darin eine Botschaft an diejenigen, die immer noch Vertrauen in die Versprechen des Bundes und der Bahn hatten. Statt zu erscheinen, haben sie es der Arbeitsebene der DB überlassen, das Projekt Ausbau der Bestandstrecke für tot zu erklären und die gemachten Zusagen zu kassieren.

Projektbeiratssprecher Joachim Partzsch hat in seiner Einführung an diese Zusagen erinnert: Ihr habt die Region nach Lösungen gefragt, wie die dringend benötigten Kapazitäten auf der Schiene zwischen Hamburg und Hannover geschaffen werden können. Die Region hat eine positive Antwort gegeben. Bund, Land und Bahn haben sich für einen beispielgebenden Prozess bei der Region bedankt und die Umsetzung der Ausbaumaßnahmen versprochen.

Minister Dr. Bernd Althusmann hat für die Regierung des Landes Niedersachsen ein kraftvolles und eindeutiges Statement an die Bahn, das BMDV und die Stadt Hamburg gegeben: Setzt den Ausbau um. Plant nicht gegen den Willen der Menschen. Niedersächsische Interessen werden in Hannover entschieden, nicht in Berlin und schon gar nicht in Hamburg. Niedersachsen wird sich gegen einen Neubau stellen – und sei es mit einer Klage. Die DB kritisierte er heftig für eine mangelnde Information des Landes zu Planungsvarianten durch die Bahn. Er forderte nachdrücklich die schnelle Umsetzung des Ausbaus, wie er in Celle erarbeitet und angenommen wurde und im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) niedergelegt ist. Für seine klaren Ansagen gebührt ihm stellvertretend für das Land Niedersachen unser aufrichtiger Dank. Das sollte allerdings der einzige Lichtblick dieser Veranstaltung bleiben.

Projektbeiratssprecher Dr. Peter Dörsam stellte den Behauptungen der DB, ein Ausbau der Bestandsstrecken würde den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht werden, Fakten entgegen. Der Ausbau kann die Anforderungen erfüllen, auch die des Deutschlandtaktes, der sinnvoll und wünschenswert ist und die volle Unterstützung des Projektbeirates genießt. Er kritisierte die Vorgehensweise der DB, die Methodik der Bundesgutachter, ihren Umgang mit Lösungsvarianten, die Prognosen der Verkehre, die sich nicht bewahrheitet haben und die Zusammenarbeit mi dem Projektbeirat. Er stellte dar, was eine Neubaustrecke neben den Eingriffen in die Natur für die Menschen bedeutet: ICE am Tag, Güterverkehr in der Nacht. Belastungen rund um die Uhr. Er stellte mit dem Teilprojekt Rotenburg-Verden heraus, wie gut Ergebnisse sein können, wenn DB und Region zusammenarbeiten, nämlich schnell, effektiv und einvernehmlich. Auch er forderte den zügigen Ausbau der Bestandstrecken für eine schnellstmögliche Entlastung des Schienennetzes als schnellste Lösung. Die Region ist nach wie vor bereit, die Lasten unter den Bedingungen der Region zu tragen, die die Ausbauvariante mit sich bringt. Die Region verhindert nichts. Die DB tut es.

Dann kam Frank Limprecht von der DB, Leiter des Großprojekte in Norddeutschland. Seine Kernbotschaft war: der Ausbau ist tot, nur ein Neubau wird den Anforderungen gerecht. Das habe man bereits im Jahr nach dem Dialogforum durch die Bundesgutachter festgestellt. Man habe sich eben geirrt. Dabei räumte er ein, dass alle verkehrlichen Belange auch durch den Ausbau erreicht werden können, dieser aber zu teuer sei. Der Zeitplan sei eng, die Kommunen sollen sich bitte bis zum Jahresanfang überlegen, welche übergesetzlichen Forderungen man bei einem Neubau stellen wolle, da die Bundestagsbefassung schon im Frühjahr beginnen müsse. Tue man dies nicht, könnten im Verfahren nachträglich keine Forderungen mehr berücksichtigt werden. Im Übrigen stellte er in der Diskussion fest, dass für die DB das Dialogforum Schiene Nord beispielgebend dafür war, wie man es nicht macht. Harter Tobak.

Wenn der Ausbau seit 2016 für die DB bereits tot ist, warum sagt sie immer noch, sie prüfe ergebnisoffen? Wieso hat der ehemalige Staatssekretär Ferlemann uns bis zur letzten Bundestagswahl versprochen, es käme nur der Ausbau in Frage, Varianten prüfe man nur aus formalen Gründen? Warum damals Variantenprüfung und heute Variantensuche? Warum wurde der Prozess nicht abgebrochen? Antwort: Die DB möchte auf der Grundlage des BVWP 2030 weiterplanen, damit sie nicht wieder vollständig von vorn anfangen müsse. Einen Neubau wollte sie schon immer. Inhaltlich hat keine Neubauvariante etwas mit dem DSN-Vorschlag und der Projektbegründung im BVWP zu tun. Im Gegenteil, beide Neubauvarianten wurden als A7- und SGV-Y-Variante vom DSN 2015 sogar ausgeschlossen.

Die DB muss daher alles Alpha E nennen, auch den Neubau. Dabei bestimmt die DB alles: Untersuchungsraum, Kapazitäten, Art des Verkehrs, Geschwindigkeit und Zeitplan, Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV). Die Berechnung des NKV ist eine Blackbox: Zwar kann man Kosten prüfbar ermitteln. Für den Nutzen gelten Parameter, die noch nicht einmal öffentlich bekannt sind. Die Bereitschaft der Region, einen Ausbau der Strecken hinzunehmen, ist offenbar kein Parameter, sonst wäre das Ergebnis eindeutig. Man kann also jedes beliebige Ergebnis für die Wirtschaftlichkeit errechnen. Prüfen können wir es nicht. Die Bundestagsabgeordneten übrigens auch nicht. Die müssen glauben, was ihnen BMDV, DB und Eisenbahnbundesamt vorlegen. Bei diesen ganzen Taschenspielertricks ein Unding.

Den Kommunen aufzugeben, sich schnell ihre Bedingungen für einen Neubau zu überlegen, bevor es zu spät ist, hat etwas davon, jemandem die Pistole an die Schläfe halten. Damit würden die Kommunen den regionalen Verbund verlassen müssen, sich auf die eigenen Gemeindegrenzen konzentrieren und damit einem Neubau zustimmen. Das ist perfide, zumal den Kommunen konkrete Planungen noch immer nicht vorliegen. Die Bürger können nicht einbezogen werden und insbesondere den kleineren Kommunen steht die fachliche Kompetenz im eigenen Haus oft nicht zur Verfügung. Zudem sind die Verwaltungen damit beschäftigt, neben dem Tagesgeschäft, die Folgen des Krieges und Covid 19 in den Griff zu beikommen.

Was bleibt? Die DB bevorzugt die nach ihren Vorstellungen optimale Super-Lösung vor einer pragmatischen und bedarfsgerechten Sofortlösung. Sie hat keine neuen Erkenntnisse geliefert. Mit zwei Ausnahmen: Sie hat öffentlich dargestellt, dass für sie kein Ausbau in Frage kommt. So viel zu ergebnisoffener Bewertung. Sie hat eingeräumt, dass sie im Grunde seit 2016 nur noch den Neubau plant, ohne ihre Projektpartner in Niedersachsen davon zu unterrichten. Im Grunde hat Frank Limprecht für die DB den Projektdialog für den Ausbau der Bestandsstrecken einseitig für beendet erklärt.

Es bleibt außerdem der feste Eindruck, dass sich das BMDV längst auf die Linie der DB festgelegt hat. Staatssekretär Theurer hat kürzlich die Politik in diesem Zusammenhang im NDR aufgefordert, Entscheidungen auch gegen die Bürger zu treffen, eigentlich ein unglaublicher Vorgang.

Es bleibt das Land Niedersachsen als verlässlicher Beschützer seiner eigenen Souveränität und der Interessen seiner Bürger. Es bleibt der laute Protest seiner Bürger, für den an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt sein soll.

Die Kapazitäten können geschaffen werden. Da kostet Geld. Minister Scheuer hat seinerzeit jede Menge Geld für die Maut ausgegeben. Bekommen hat er dafür nichts. Setzt sich die DB durch, bekommt die Bundesrepublik erstmal wieder nichts, sondern verliert etwas: das Vertrauen der Bürger unserer Region und darüber hinaus. Berücksichtigt dies bei der Berechnung des NKV. Dann bleibt nur eine Lösung über: der Ausbau.

Am Ende bleibt die Hoffnung, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages sich an den Rechtsgrundsatz Pacta sunt servanda halten. Verträge sind einzuhalten. Die Region hat ein Angebot zum maßgeblichen Ausbau des Schienenverkehrs gemacht. Der Bund, das Land, die Bahn haben das Angebot seinerzeit angenommen. Der Deutsche Bundestag hat diesen Vertrag im Bundesverkehrswegeplan 2030 eindeutig mit allen Parametern niedergelegt.

Christian Böker – Mitglied im Projektbeirat Alpha E für das Aktionsbündnis gegen Trassenneubau