Antwort auf die Reaktion von Panorama auf den Offener Brief an die Redaktion von „Panorama”

Railroad Crossing

Antwort auf die Reaktion von PANORAMA auf den Offenen Brief der LBU-Regionalgruppe an PANORAMA, NDR und ARD

Regionalgruppe Ostheide des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) Niedersachsen,
Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel
0151-11201634 - eckehard.niemann@gmx.de

Deutsche Bahn: Schienennetz vor dem Kollaps
Mehr Baustellen, mehr Verspätungen. Die Bahn steht vor dem Kollaps. Warum sind die Probleme nicht längst behoben?

Antwortschreiben an Nils Haber / Redaktion PANORAMA

Sehr geehrter Herr Naber,
ich antworte auf Ihre Mail, indem ich jeweils nach einem Absatz meine Meinung dazu ausführe:

Sehr geehrter Herr Niemann,

Sie haben sich bezüglich unserer Berichterstattung zum Schienennetz mit einem offenen Brief an uns gewendet. Dazu möchte ich sehr gern Stellung nehmen.
Im Kern kritisieren Sie, dass wir den sogenannten Kompromiss, der 2015 im Rahmen des Dialogforums Schiene Nord zustande gekommen ist, nicht ausführlich genug dargestellt hätten. Auf dieser Basis, so Ihre Kritik, wären wir zu einer fehlerhaften Analyse der aktuellen Situation gelangt. Des Weiteren werfen Sie uns vor, wir wären nicht weniger als ein „Sprachrohr der Deutschen Bahn.“ Dem möchte ich entschieden widersprechen.

Ich kritisiere nicht nur, dass Sie über den Kompromiss des Dialogforums nicht ausführlich genug berichtet haben, sondern vor allem, dass Sie falsch und einseitig und unvollständig darüber berichtet haben.

Im Zuge unserer Recherche haben wir uns an der aktuell geltenden Rechtslage orientiert, die in Ihrem Schreiben, ob bewusst oder unbewusst, einfach ausgeblendet wird. Die Planungen zum Ausbau der Schienenstrecke Hamburg-Hannover basieren auf dem gültigen Bundesverkehrswegeplan und sind seit 2016 über das Bundesschienenwegeausbaugesetz rechtlich verankert. Im Bundesverkehrswegeplan ist bezogen auf die geplante Ausbau-/Neubaustrecke Hamburg-Hannover ausschließlich vom „Optimierten Alpha-E plus Bremen“ die Rede. Dieses Projekt weicht deutlich von dem ab, was 2015 im Dialogforum Schiene Nord verabredet wurde. Der Bund hat die DB schon vor Jahren damit beauftragt für die geplante Ausbaustrecke „Ashausen – Uelzen – Celle“ einen Korridor zu finden, der eine Maximalgeschwindigkeit von („Vmax 250/230 km/h“) ermöglicht. Laut den Planern der DB sind diese Kriterien nur mit zwei zusätzlichen Gleisen zu erreichen. In den öffentlich verfügbaren Stellungnahmen der DB wurde auch schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass eine Dreigleisigkeit zwischen Lüneburg und Uelzen nicht ausreicht, um die erwünschte Kapazität zu erzielen. Ich möchte bei der Gelegenheit darauf hinweisen, dass die DB sich hier nicht selbst beauftragt hat, sondern entsprechend der von der Politik gesetzten rechtlichen Vorgaben Planungen vornimmt. Die DB plant und baut, was der Bund bestellt und bezahlt. Der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, wunderte sich bei uns vor laufender Kamera darüber, dass überhaupt noch von Alpha-E gesprochen wird. Es geht aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums schon seit Jahren nur noch um das „Optimierte Alpha-E plus Bremen.“

Ihr Bezug auf die angeblich „aktuell geltende Rechtslage“ ist lediglich insofern zutreffend, als das Alpha E vor der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zu einem Alpha E plus wurde, indem die Möglichkeit (!) von Orts-Umgehungen aufgenommen wurde. Damit ist aber keineswegs eine Parallelstrecke gemeint. Die Maximalgeschwindigkeit ist zwar von der Bahn ins Spiel gebracht worden, dies und die damit gesetzte Verkürzung der Fahrzeit um 11 Minuten („für den Deutschlandtakt“) ist aber mitnichten „aktuell geltende Gesetzlage“ – zumal der Deutschlandtakt auch (oder sogar besser) mit weniger engen Taktungen umsetzbar ist. Wenn die Planer der DB behaupten, man brauche 2 zusätzliche Gleise, dann ist das widerlegbar und entspricht nicht der Gesetzeslage und auch nicht der Aufgabenstellung im Bundesverkehrsplan. Sie verkennen im Übrigen bei Ihrer Argumentation, dass der Moloch Konzern DB weitgehend ein Eigenleben jenseits der Politik führt.

Ganz abgesehen von der Rechtslage ist auch im niedersächsischen Verkehrsministerium klar, dass ein einfaches Alpha-E langfristig nicht ausreichen wird, um die notwendige Kapazität auf der Strecke Hamburg-Hannover zu erreichen. Verkehrsminister Althusmann meinte, das alte Alpha-E reiche wahrscheinlich nur bis 2030. Dass der Deutschlandtakt mit dem dritten Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen gar nicht möglich ist, bleibt dabei zweitrangig. Vor dem Hintergrund der in Deutschland üblichen Planungs- und Bauzeiten für Schienenstrecken, erscheint es merkwürdig einen Ausbau vorzunehmen, der bei einer theoretischen Fertigstellung in einigen Jahren schon nicht mehr ausreichen wird und die Planungen für einen weiteren Ausbau erneut aufgenommen werden müssten.

Die beim Dialogforum prognostizierten Verkehrsströme für das Jahr 2030 sind mittlerweile insofern obsolet, als die realen Verkehrsströme deutlich niedriger liegen als damals angenommen (u.a. wegen der Stagnation des Hamburger Hafens). Vermutlich haben Sie Herrn Althusmann insofern falsch verstanden, als dass Alpha E plus nur bis mindestens (!) 2030 reichen kann – über weitergehende Bedarfe oder Nichtbedarfe kann man ja erst reden und urteilen, wenn Prognosen über die Zeit danach wirklich erstellt sind.

Für den Beitrag haben wir uns auf die politische Auseinandersetzung zwischen dem Land und dem Bund konzentriert. Selbstverständlich haben wir im Rahmen der Recherche auch mit Vertreten von Kommunen entlang der Bestandsstrecke zwischen Hamburg und Hannover sowie mit dem Projektbeirat Alpha-E gesprochen, um deren jeweilige Position zum Ausbau der Schienenverbindung Hamburg-Hannover erfragen. Dabei stellten wir fest, dass viele Argumente im Kern sehr ähnlich zu der Position von Verkehrsminister Althusmann sind. Abgesehen vom Landkreis Lüneburg, der einen Ausbau der Bestandsstrecke kritisch sieht.

Sie haben recht mit der Tatsache, dass wir im Beitragstext in der ARD nicht erwähnt haben, dass beim Beschluss des Abschlussdokuments (Dialogforum Schiene Nord) 2015 auch Kommunen und die Bahn beteiligt waren. Da es aus unserer Sicht aber entscheidend ist, wie das Land und der Bund zu dem Projekt stehen, haben wir in der bundesweiten Ausstrahlung auf diese Details verzichtet. Allerdings sind wir in einem Beitrag in Panorama 3 am 6.9. im NDR Fernsehen sehr wohl auf diese Details eingegangen. Das können Sie auch hier nachlesen. https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Deutsche-Bahn-Schienennetz-vor-dem-Kollaps,bahnchaos132.html

Ihre Begründung für die Nichtberücksichtigung der am Dialogforum zentral beteiligten Kommunen, Verbände und Bürgerinitiativen zeigt erneut, wie wenig Sie verstanden haben, dass es hier zentral um eine beispielhafte demokratische Bürgerbeteiligung handelt, die im Vorwege mögliche und vorhandene Konflikte thematisiert und – nach Möglichkeit – erfolgreich vermittels eines tragfähigen und ausreichenden Kompromisses beseitigt.

Auf das Gutachten von Vieregg-Rössler sind wir in unserem Stück nicht eingegangen, weil wir dann auch die Replik der DB zu diesem Gutachten hätten darstellen müssen. Für den weiteren Fortgang der Planungen ist aus unserer Sicht entscheidend, was Ende des Jahres dem Bundestag von der DB als Prüfungsergebnisse vorgelegt wird.

Wenn man Ihre Argumentation ernst nimmt, dann hätten Sie ja bis zur von Ihnen erwähnten Entscheidung mit Ihrem Beitrag warten müssen. Zudem folgender Hinweis: Die DB wird dem Bundestag kein Prüfungsergebnis vorlegen, sondern dem Bundesverkehrsminister – und der erst wird nach Abwägung und Prüfung dem Bundestag einen Vorschlag (zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan) zur Abstimmung vorlegen. Dabei werden nach dem Bundesklimaschutzgesetz und einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Klimaschutz bzw. die Klimakosten eine zentrale Rolle spielen müssen – auch im Hinblick auf die von der Ampel-Koalition vereinbarte, baldige entsprechende Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans. Auch darüber haben Sie nicht berichtet…

Wir werden sicher erneut über das Thema berichten und uns dabei an den verfügbaren Fakten orientieren, die wir bezogen auf die Streckenplanung von der DB kommen. Mit einer negativ konnotierten “Deutsche-Bahn-Gläubigkeit”, die Sie uns in Ihrem Schreiben attestieren, hat das nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Nils Naber

Mit freundlichen Grüßen