Schadensbegrenzung – Treffen mit M. Theurer

Dr. Peter Dörsam (Archivbild)

Schadensbegrenzung

Projektbeiratsmitglied Christian Böker vom Aktionsbündnis gegen Trassenneubau
nahm am Treffen am Freitag, dem 30. 9. 2022,
im Ringhotel Celler Tor teil.

Lesen Sie hier seinen Bericht:

Dem gestrigen Termin mit Staatssekretär Michael Theurer in Celle war je bereits eine ganze Kavalkade an Presseberichten vorausgegangen. Unter anderem war ein Interview mit Minister Wissing veröffentlicht worden, dass im Kern die Position des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) zum Optimierten Alpha E mit Bremen darstellte. Das war nötig geworden, weil ein vorangegangener Panorama- 3-Bericht für eine weitere Steigerung der Unsicherheit und Verärgerung in der Alpha E-Region gesorgt hatte.

Zu dem Termin waren Bürgermeister und Landkreisvertreter der Region und Vertreter der Bürgerinitiativem geladen. Dazu nahmen die Bundestagsabgeordnete Anja Schulz und der Landtagsabgeordnete Jörg Bode teil, auf deren Mitwirken der Termin zustande kam.

Staatssekretär Michael Theurer begann mit einer Richtigstellung bezüglich des Panorama-Berichts. Die Aussagen, die er dort dazu getroffen hatte, seien im Gesamtkontext aller Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im Allgemeinen getätigt worden, bezogen sich also nicht auf Alpha-E im Besonderen und bedeuteten auch mitnichten die Aufforderung an die Politik, regionale Bürgerinteressen nicht mehr zu berücksichtigen. Es soll keine Planung gegen den Willen der Bürger geben. 

Herr Theurer hat für das BMDV dargelegt, dass:

Herr Theurer versprach in jedem Fall der Region für jede potenzielle Umsetzungsvariante ein Dialogformat mit der Region. Er versäumte allerdings auch nicht zu ergänzen, ein Scheitern des Gesamtprojektes sei ebenfalls ein denkbares Ergebnis. Dann stünde man wieder am Anfang.

MdB Anja Schulze legt daraufhin dar, es gäbe mittlerweile eine fraktionsübergreifende Gruppe, die sich im Deutschen Bundestag mit der Umsetzung Alpha-E und den nicht vertretbaren Neubauvarianten auseinandersetze. Zu diesen Abgeordneten gehöre sie selbst für die FDP, Henning Otte für die CDU, Sven Kindler für die GRÜNEN und der SPD-Bundes-Co-Vorsitzendende Lars Klingbeil.

Für die Landräte der betroffenen Kreise Harburg, Uelzen, Heidekreis, Celle, Rotenburg und Verden lies Landrat Rainer Rempe (Harburg) den Dialogprozess einschließlich der Abschlussstatements der politischen Vertreter des Landes Niedersachsen, des Bundes und des Konzernvertreters der Deutschen Bahn Revue passieren. Er wies darauf hin, dass in dieser Zeit ein großes Vertrauen der Region eingefordert wurde. Dieses Vertrauen wurde von der Region aufgebracht. Es wurde dann allerdings von der DB durch die Art und Weise der Planungen, insbesondere aber durch die mangelnde Transparenz und fehlende Kommunikation nachhaltig verspielt. Insbesondere die Neubauplanungen entsprächen weder dem DSN-Ergebnis, noch sei insbesondere die Neubauvariante A7 geeignet, dem gesetzlichen Bündelungsgebot zu entsprechen. Die Trassenführung sei in weiten Teilen kilometerweit von der A7 entfernt.

In diese Kerbe schlug auch die Bürgermeisterin der Gemeinde Seevetal, Frau Emily Weede. Sie bemängelte nicht nur die Methoden der DB, deren Konsequenz nun sei, dass DB-Mitarbeitern das Betreten gemeindeeigener Grundstücke verboten wurde. In diesem Zusammenhang berichtete sie von Initiativbewerbungen von DB-Ingenieuren auf freie Stellen der Gemeinde (honi soit qui mal y pense). Sie legte auch dar, dass es sich hier in erster Linie um die Durchsetzung Hamburger Hafeninteressen zu Lasten des Landes Niedersachsen mit seinem Tiefwasserhafen Wilhelmshafen handele. Auch Bürgermeisterin Weede sprach von massiv verlorenem Vertrauen.

Für den Projektbeirat dankte Dr. Peter Dörsam dem Staatssekretär für die Bereitschaft zum Gespräch Er legte dar, dass die Enttäuschung im Projektbeirat ebenfalls groß sei. Er wies dabei in erster Linie darauf hin, dass die verkehrlichen Anforderungen durch das Alpha E einschließlich des Deutschlandtaktes umgesetzt werden könnten. Die flankierenden Vorschläge der Region aus dem Vieregg-Rössler-Gutachten seine in nahezu rufschädigender Weise von der DB in der gläsernen Werkstatt in Hannover verzerrt und verworfen worden. Als Beispiel dafür nannte er die Umgestaltung des Bahnhofs Lüneburg, der im Gutachten Vieregg-Rössler eine Umgestaltung des Bahnhofsbereichs vorsah, um dort mit 190 km/h durch den Bahnhof fahren zu können. Die Bahn sei aber von viel höheren Geschwindigkeiten ausgegangen, die den Abriss des bestehenden Bahnhofes einschließlich der Nachbarschaft zur Folge hätte. Auf dieser Darstellung sein dennoch die Autorenschaft Vieregg-Rössler suggeriert worden. Das erhöhe die Kosten und sorge absichtlich für weitere Irritationen in der Stadt Lüneburg. Dr. Dörsam wies ebenfalls daraufhin, dass die Berechnung des NKV für die Bestandsstrecke maximal negativ erfolge und daher auch Sanierungskosten, die zukünftig sowieso anfielen, als für das NKV belastend mitgerechnet würden. Dr. Dörsam wies auch darauf hin, Der Planfall 44 Deutschlandtakt aus dem BVWP sei auf maximale Leistungsfähigkeit ausgelegt und müsste im Sinne einer kostengünstigen und schnellen Umsetzung in den Anforderungen anpassungsfähig bleiben.

Für die Bürgerinitiativen wiesen Friedrich-Karl Bodin (AFDO Uelzen), Kurt Wiedenhoff (Pro Lebensraum Eimke), Stefan Müller und Jörg Eggers (BI Unsynn-Soltau-Bispingen) sowie Christian Böker (Aktionsbündnis gegen Trassenneubau – Bergen-Wietzendorf-Celle) darauf hin, dass es bei den im BVWP genannten Ortsumfahrungen um kleinräumige Neubauanteile handele, die im Konsens mit den betroffenen Kommunen eine Option seien, um die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen. Keinesfalls ließen sich daraus über 50 km lange „Ortsumfahrungen“ oder gar reine Neubaustrecken ableiten. Im Übrigen sei die Bezeichnung A7-Variante irreführend, da sie mitten durch die Heide führe und daher eine Heide-Trasse sei. Alle BI-Vertreter bestätigten den Vertrauensverlust in die DB AG, allerdings auch in das Bundesministerium (Vorgänger-Version), die trotz immer wiederkehrender Kritik aus der Region nie ernsthaft das Gespräch mit der Region gesucht habe. Es wurde Herrn Theurer darüber hinaus mitgegeben, dass die NKV-Berechnung im Ministerium kritisch hinterfragt werden müsse. Die vom Bundestag beschlossenen übergesetzlichen Maßnahmen beim Ausbau der Strecke Rotenburg.-Verden dürften das Projekt Alpha-E wirtschaftlich belasten, da es

  1. für das Projekt nicht notwendig sei,
  2. die DB diese Strecke allerdings mit der Begründung, diese Strecke diene beim Ausbau der Bestandsstrecke als Ausweichtrasse und
  3. der Deutsche Bundestag die Mittel dafür bereits freigeben hat und die Strecke in jedem Variantenfall, auch für einen Neubau, hergestellt werde.

Darüber hinaus müssen sich in jeder Variante die Bedingungen der Region abbilden, d. h. auf für eine Neubauvariante muss für das NKV der übergesetzliche Lärmschutz berücksichtigt werden, da hier mehr Güterverkehre laufen werden. Sanierungskosten, die sowieso anfallen, dürfen den Bestandsstreckenausbau wirtschaftlich nicht belasten. Der Auftrag der DB aus dem BVWP ist die Planung des Bestandsstreckenausbau. Die Bahn betreibt allerdings keine Ausbauplanung und Prüfung, das hat sie für beendet erklärt, sondern eine Trassensuche, die nicht Auftrag aus dem BVWP ist. Die Frage nach einer Veränderung der NKV-Parameter, die tatsächlich schon beschlossen sei, wie Herr Theurer mitteilte, sei noch beim Bundesrechnungshof in der Prüfung, man rechne jedoch mit erheblichen Bedenken aus der Prüfung. Damit ist klar, dass wohl kein an die heutigen Verhältnisse insbesondere beim Klimaschutz angepasstes Berechnungsverfahren angewendet werden kann. (Im alten System wird Geschwindigkeit extrem hoch bewertet, hohe Geschwindigkeit ist allerdings klimaschädlich). Die BI-Vertreter haben eine zweite optimierte Version des Vieregg-Rössler-Studie angekündigt, die aber erst nach externer Prüfung veröffentlicht werden kann, um dieser Studie das Schicksal der Vorgängerversion zu ersparen.

Zusammenfassung

Staatssekretär Michael Theurer hat einen wichtigen Schritt hin zur Region gemacht. Das ist sicherlich zum großen Teil Schadensbegrenzung. Dass gerade Wahlkampf in Niedersachsen ist, ist ein Begleitumstand. Diesem mag man Bedeutung beimessen oder auch nicht. Man muss Herrn Theurer und dem BMDV allerdings anrechnen, dass dieser Schritt nun endlich gegangen wurde. Das Vorgängerministerium hat den Dialog mit der Region nie aktiv gesucht. Darüber hinaus sind viele wichtige Dinge offensichtlich geworden:

Staatssekretär Theurer hält das Büro Vieregg-Rössler für einen renommierten Gutachter. Das erste Gutachten kennt er und findet darin interessante Ansätze, im Gegensatz zur DB. Die hat das Gutachten kaputtgeprüft, mit unzulässigen Methoden. Staatssekretär Theurer hat nochmals betont, dass die Meinung und Zustimmung der Region ein wesentlicher Faktor sind. Gegen die Region kann nicht geplant werden. Der Auftrag aus dem BVWP lautet, die Planung des Bestandsausbau nach der Projektbeschreibung durchzuführen. Ziel des BMDV ist nicht die Neubauplanung (sie schließt dennoch keine Variante mit dem Verweis auf die Zuständigkeit des Bundes aus). Das Verhalten der DB insbesondere bei der Kommunikation und dem Dialog mit Region und der Intransparenz der Planung hat einen Vertrauensverlust der Region verursacht, der so groß massiv ist, dass Staatssekretär Theurer einen nochmals anderen Eindruck von der Stimmung in der Region mitgenommen hat.

Daraus kann eigentlich nur abgeleitet werden, dass das BMDV nicht mehr bis zur Abgabe der DB-Unterlagen warten kann. Die DB arbeitet nach eigenen Angaben mit 300 Mitarbeitern an einer Planung, die der Auftraggeber nicht beauftragt hat und die die Region nachdrücklich ablehnt. Dabei gehen Zeit und Geld verloren. Das Ministerium muss nun dringend den DB-Vorstand und die planende Abteilung an den Ausgangspunkt des Auftrags zurückführen. Der lautet: Plane Alpha E optimiert mit Bremen als Bestandsausbau mit Rahmen der Projektbeschreibung des BVWP einschließlich der dort festgelegten Zusammenarbeit mit der Region im engen Dialog. In diesen Dialog muss sich das BMDV einbringen. Sollte das nicht passieren, bleibt die Schadensbegrenzung nur kurzfristig. Dann wäre es doch ein Wahlkampfmanöver. Das wollen wir nicht glauben. Auch hier gibt die Region noch einmal ihr Vertrauen. Möge es nicht verspielt werden.