Alpha-E statt Neubautrasse – Die Position des Aktionsbündnisses
Vorgetragen von Christian Böker
1. Einleitung – Warum wir uns positionieren
Seit über zehn Jahren diskutieren Politik, Bahn und Region über den Ausbau der Bahnstrecke Hamburg–Hannover. Trotz intensiver Bürgerbeteiligung im Dialogforum Schiene Nord (2015) werden die damals erzielten Ergebnisse von der Deutschen Bahn missachtet. Statt der vereinbarten Lösung „Alpha-E“ drängt die Bahn auf eine Neubautrasse, die tief in unsere Region einschneidet.
Wir als Aktionsbündnis gegen Trassenneubau treten für eine ehrliche Debatte ein. Wir sind nicht gegen die Verkehrswende – im Gegenteil: Wir wollen mehr Kapazität auf der Schiene, aber auf Basis bestehender Infrastrukturen.
2. Keine Verhinderer: Unser Beitrag zur Verkehrswende
Wir stehen klar hinter den Zielen der Verkehrswende und befürworten mehr Güter- und Personenverkehr auf der Schiene. Doch wir erwarten, dass Belastungen für unsere Region durch konkrete Mehrwerte ausgeglichen werden.
- Seit 10 Jahren fordert die Region Ausgleichsmaßnahmen, doch die Bahn ignoriert dies.
- Die Stadt Bergen kämpft seit Jahren für einen eigenen Bahnhof oder zumindest die Reaktivierung der OHE-Strecke (Soltau–Celle). Bisher ohne Erfolg.
- Die Schienen sind vorhanden, sie müssten lediglich wieder genutzt werden.
- Die dringend benötigte Ortsumgehung B3 für Bergen ist seit Jahrzehnten nicht umgesetzt und im Bundesverkehrswegeplan ohne Priorität.
Das zeigt: Wir sind keine Verhinderer – wir wollen Verbesserungen, die realistisch und sinnvoll sind.
3. Bahnhof und Regionalverkehr: Illusionen statt Lösungen
Bei einem parlamentarischen Abend 2023 fragte ich Berthold Huber, Vorstand Infrastruktur der DB AG, welche Vorteile unsere Region durch die Neubautrasse habe.
Seine Antwort war eindeutig:
„Keine. Hier geht es um gesamtwirtschaftliche Interessen.“
Die in jüngster Zeit von der Bahn ins Spiel gebrachten Regionalbahnhöfe in Bergen und Soltau sind nichts weiter als Illusionen:
Das Land Niedersachsen wird diese Bahnhöfe nicht planen, finanzieren oder betreiben.
Die DB hat sie erst vor wenigen Jahren „in die Diskussion geworfen“ – ohne jegliche Grundlage.
Fazit: Es wird keinen Bahnhof für Bergen geben. Es wird keine Vorteile für die Region geben.
4. Dialogforum Schiene Nord – Vereinbarungen ignoriert
Das Dialogforum Schiene Nord (2015) war ein Meilenstein der Bürgerbeteiligung. Unter Leitung des Bundesverkehrsministeriums wurde damals die Variante Alpha-E entwickelt:
- 3. Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen
- 2. Gleis Rotenburg–Verden
- Elektrifizierung der Amerikalinie (Uelzen–Langwedel)
- Blockverdichtungen und Überholbahnhöfe
- Nutzung des Ostkorridors Hamburg–Wittenberge
Das Bundesgutachten kam zu dem Schluss: Alle Überlastungen im Schienennetz sind damit beseitigt.
Auch zwei ICE-Verbindungen pro Stunde waren im Konzept enthalten. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) lag mit 1,08 im positiven Bereich.
Trotzdem änderte die Bahn im Nachhinein die Aufgabenstellung – unter Berufung auf den neuen Deutschlandtakt.
5. Deutschlandtakt – Anspruch und Realität
Der Deutschlandtakt ist ein politisch gewolltes Großprojekt. Grundidee: alle 30 Minuten verlässliche Fernverkehrsverbindungen zwischen den großen Städten.
Die Probleme:
- In Hamburg fehlen schon heute Gleise und Kapazitäten.
- Fahrzeitverkürzungen von nur 10 Minuten sollen mit Vmax 250 km/h erkauft werden.
- Der Nutzen ist gering: Trotz Verdoppelung der ICE-Züge von 2 auf 4 pro Stunde rechnet die Bahn nur mit +11 % Fahrgästen.
- Die Fahrzeitvorgabe (63 Minuten Hamburg–Hannover) ist politisch gesetzt und führt zu teuren und landschaftszerstörenden Lösungen.
Andere Taktzeiten wären möglich und kostengünstiger – ohne Neubautrasse.
6. Vergleich: Neubautrasse vs. Alpha-E
Neubautrasse (A7/B3-Korridor, laut DB InfraGo):
- Baukosten offiziell 6,7 Milliarden €, realistisch höher
- Bauzeit kürzer als beim Ausbau, aber nur als Gesamtprojekt wirksam
- Geringerer Flächenverbrauch auf dem Papier – in Wahrheit gravierende Eingriffe
- NKV offiziell 1,02 – aber nicht überprüfbar
Alpha-E (Bestandsausbau, laut DSN 2015):
- Baukosten 0,746 Milliarden € (damals) – nach heutigen Berechnungen günstiger als Neubau
- Bauzeit länger, aber schrittweise Inbetriebnahme möglich
- Deutlich geringere Eingriffe in Natur und Landschaft
- NKV positiv (1,08)
Das entscheidende Argument: 4 ICE-Züge pro Stunde sind wirtschaftlich nicht tragfähig. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Neubautrasse wird nach Anpassung der Prognosen unter 1,0 sinken.
7. Position des Landes Niedersachsen
Die niedersächsische Landesregierung und der Landtag haben sich klar für Alpha-E ausgesprochen:
- Die Generalsanierung 2029 soll mit Alpha-E-Elementen kombiniert werden.
- Danach soll überprüft werden, ob eine Neubautrasse überhaupt noch erforderlich ist.
- Jeder Kilometer Neubau würde in Niedersachsen liegen – das Land lehnt dies ab.
Die Reaktion der Bahn: Nur wenige Alpha-E-Elemente sollen umgesetzt werden. Ergebnis: lediglich 6 % zusätzliche Kapazität – das ist völlig unzureichend.
8. Rechtliche Rahmenbedingungen – Risiko für Bürger
Mit der Änderung des Raumordnungsgesetzes (2023) wurden Beteiligungsrechte eingeschränkt:
- Raumverträglichkeitsprüfungen müssen in 6 Monaten abgeschlossen sein.
- Eine Verlängerung kann nur der Vorhabenträger (DB) beantragen.
- Bürger, Kommunen und Verbände können nur noch im Rahmen des Zulassungsbescheids Rechtsmittel einlegen.
Damit droht eine Überforderung kleiner Kommunen und eine Entmachtung der Bürgerbeteiligung.
9. Folgen für Bergen und die Region
Eine Neubautrasse hätte dramatische Auswirkungen:
- Zerschneidung von Ortslagen und Gemeindestraßen
- Brücken, Überwerfungsbauwerke, Lärmschutzwände
- 24-Stunden-Verkehr mit stark zunehmendem Nachtgüterverkehr
- Verlust wertvoller land- und forstwirtschaftlicher Flächen
- Bau eines Überholbahnhofs für Güterzüge
- Keine Vorteile oder Ausgleichsmaßnahmen für die Region
Fazit: Bergen und das Umland tragen die Last – ohne Nutzen.
10. Unsere Haltung als Bürgerinitiative
Wir fordern:
- Schnelle Generalsanierung mit Alpha-E-Elementen ab 2029
- Mehr Kapazität durch Ausbau, nicht durch Neubau
- Unterstützung der niedersächsischen Landesregierung in ihrer klaren Haltung gegen die Neubautrasse
Wir unterstützen die Verkehrswende – aber nicht auf Kosten unserer Region.
Weitere Informationen der Deutschen Bahn
Auf den offiziellen Projektseiten der Deutschen Bahn stehen ausführliche Informationen zur geplanten Neubautrasse bereit. Dort finden sich detaillierte Karten, Videos und Erläuterungen, die die Sichtweise der Bahn darstellen und die aktuellen Planungsstände dokumentieren:
Wir fordert die Politik auf, die Ergebnisse des Dialogforums Schiene Nord ernst zu nehmen und Alpha-E umzusetzen. Die Neubautrasse ist weder wirtschaftlich, noch ökologisch, noch sozial vertretbar.
Aktionsbündnis gegen Trassenneubau